Mit einem Wetterballon in die Stratosphäre

Ich möchte euch hier mein kleines Wetterballon Experiment vorstellen. Wie wir wissen ist nur wenigen Menschen unter uns die Möglichkeit gegeben die Erde von „oben“ – nämlich den Astronauten – zu sehen. Ich denke in diesem Leben werde ich wohl nicht zu diesen Menschen gehören :) Zu meinem Projekt bewegten mich Aussagen wie diese:

Wir sehen den blauen Himmel nicht am Horizont, sondern unter uns. Und während wir die Erde umkreisen und die Sonne alle 90 Minuten immer wieder auf- und untergeht ist sehr gut die dünne Schicht der bläulichen Atmosphäre zu erkennen, über der wir schweben. Das ist wunderschön! … – Julie Payette

Um den „blauen Himmel unter mir“ zu sehen kam mir schon früh die Idee eine Kamera an einem Wetterballon in die Stratosphäre aufsteigen zu lassen. Zu diesem Zeitpunkt war ich sehr Jung (ca. 4. Klasse), das Taschengeld reichte damals jedoch nur für eine Computerzeitschrift pro Woche :) . Nun nach ein paar Jahren konnte ich mir meinen kleinen Traum erfüllen. Was hat sich geändert seit meinem ersten Wunsch und jetzt? Eigentlich, nicht viel, nur dass ich mir jetzt ein paar Computerzeitschriften pro Woche mehr kaufen kann, sowie ein alter Knacker geworden bin :)

Auch anzumerken ist, dass ich das Experiment zwei mal Machen musste, da ich beim ersten Versuch das GPS Signal bei 2700m über Gramais – Österreich verloren habe. Jegliche Suchaktionen mithilfe von meinen Kollegen blieben erfolglos. Wie sich im Nachhinein ausgestellt hat, war der GPS Tracker resp. der Anbieter der SIM Karte – das erste Mal sunrise – (siehe weiter unten Punkt 3) „schuld“ daran, da sie kein Netz resp. Roaming in Gramais hatten. Die Dame bei sunrise hat mir bestätigt, dass man eigentlich mit einer sunrise Karte in Gramais Empfang haben müsste. Ich als (noch) jahrelanger Sunrisekunde dementiere das, selbst mit meiner SIM Karte im Handy hatte ich kein Netz. Die Kollegen welche swisscom sowie orange als Provider hatten, hatten dort vollen Empfang.

Gut, genug von der Vergangenheit sowie vom Bashing des Netzbetreibers nun gehts los. Zuerst liste ich hier ein paar Sachen auf, welche ich gebraucht habe:

1. Styroporbox als Träger-, Isolierkapsel für die Kameras (gekauft bei storopack.ch)
In die Styroporbox habe ich zwei Öffnungen mit einem Teppichmesser geschnitten und diese so bearbeitet, dass die Weitwinkelkameras ungehindert durchfotografieren konnten. Um die Öffnungen zu schliessen habe ich in die Innenseite zwei 3mm dicke Plexiglasplatten geklebt. Um die Box effektiver von der Kälte zu schützen (bis -50 Grad beim Durchqueren der verschiedenen Atmosphärenschichten) habe ich sie in Goldfolie gehüllt (Daher bekam das Projekt den Arbeitsnamen Goldie :) ), welche man in jedem erste Hilfe Koffer findet. Oder im Coop bau und Hobby wie ich. Um die Box am Ballon zu befestigen habe ich vier Dübel welche man im Fassadenbau benötigt mit Ringschrauben versehen, diese in die Box geklebt und so eine Halterung gemacht.

2. Kameras (Gopro Hero 2) mit jeweils 32GB Transcend SD Karte. Eine Kamera auf den Horizont gerichtet und eine auf den Boden. Alle 2 Sekunden ein Foto. (ca. 5000 Fotos pro Kamera)

3. GPS Logger/Tracker. Den TK5000 habe ich bei gpsvision.ch gekauft. Eine Besonderheit des Trackers ist, dass er die Koordinaten speichern sowie an einen Server (mittels bei mir swisscom SIM Karte) schicken kann. So kann man live verfolgen wo sich der Ballon befindet. Da es ein Ziviles GPS Gerät ist, wird es wohl auf ca. 18km Höhe limitiert sein. Dies ist eine Regelung des CoCOM.

4. Temperaturlogger. Marke Eigenbau von meinem Kollegen draganbjelic.com.
Dragan und ich befassen uns seit kurzem mit der Programmierung von Mikrokontrollern (ua. Arduino uvm.). Dragan hatte seinen Kontroller früher bestellt als ich, so bat ich ihn mir einen Temperaturlogger für die Innen-, sowie Aussentemperatur zu bauen. Angetrieben wird alles von einem 2000 mAh Lipo. Als Kontroller ist ein Arduino Nano verwendet worden. Die Temperaturmessung haben zwei Sensoren welche bis – 55 Grad messen können vorgenommen. Die Daten wurden auf eine MicroSD per Breakout gespeichert. Alles wurde bei play-zone.ch sowie boxtec.ch gekauft.

5. 2000 Gramm Wetterballon gekauft bei pawanexport.com aus Indien. Warum aus Indien und nicht auch der Schweiz? Den Wetterballon aus Indien habe ich 200 USD gezahlt, der selbe in der Schweiz gekauft wäre ca. 500.- CHF. Der Ballon wurde in drei Tagen aus Indien unversehrt, sehr solide verpackt geliefert! Der Ballon fliegt bei einer Zuladung von einem Kilogramm, 36 Kilometer hoch!

6. Damit die ganze Geschichte steigt, braucht es Helium. Dieses (20L Flasche ca. 4m3) habe ich bei Hornbach in LU (Littau) gekauft. Was mich sehr positiv erstaunt hat ist der Kundenservice bei Hornbach. Professionell und stets freundlich!

7. Einen Regenschirm, eh Fallschirm mein ich, damit das ganze heil zu Boden kommt. Ich habe einen handelsüblichen Regenschirm (vorzugsweise „Knirpsgrösse“) als Fallschirm umfunktioniert. Ich habe den Regenschirm vom Gestänge getrennt, sowie an jedem Ende Ösen reingemacht. Diese dienen dann als Verbindung zur Box. In den Fallschirm habe ich oben ein Loch geschnitten welches den Zweck hat, dass einerseits die Ladung nicht hin und her baumelt bei der Landung, sowie dass die Box schneller unten ankommt. Die Nähte wurden dann mit einer Nähmaschine verstärkt.

Eigentlich ist jetzt alles komplett. Der Ablauf am Starttag (16.12.2012) sah so aus: Ballon mit Helium befüllen, alle Geräte einschalten, Box zukleben, den Ballon starten, Ballon erreich Maximalhöhe,  Ballon platzt, Fallschirm öffnet sich und die Box landet im Umkreis von +/- 300 km vom Startpunkt. Die Dauer von Start zu Landung hätte ca. 2.5 Stunden gedauert. Ich stütze mich auf die Vorhersagen vom Tool CUSF Landing Predictor. Dragan hat mir geholfen, so haben wir alles vorbereitet und den Ballon gestartet. Nach einem Snack im McDonnalds fuhren wir zu ihm, da die Vorgabe der Landung auf einem Feld vor Mailand war und von ihm aus es näher war Richtung Italien zu fahren.

Eine Stunde verging, zwei Stunden vergingen, drei Stunden vergingen, immer noch kein Signal vom Tracker. Enttäuscht machte ich mich auf den Heimweg. Am Abend habe ich nochmals die Seite aufgerufen auf welche der Tracker die GPS Koordinaten geschickt hat und habe meinen Augen nicht getraut. Die Box landete in Ungarn (Szallasjaras) ca. 930 KM Luftlinie vom Startpunkt (Sportplatz Röhrliberg, Cham ZG) entfernt und schickte weiter Koordinaten zurück. Geplant war das so nicht :) Ich kann mir nur erklären, dass der Ballon in den Jetstream gelang ist, nur so konnte er halb Europa überqueren. Verrückt wie wir waren wollten Dragan und ich die Box am kommenden Tag holen (1200 KM mit dem Auto), mussten jedoch wegen eines Schneesturms (so kann man es ruhig sagen) wieder umkehren. Ich stamme ursprünglich aus Bosnien. Von meinem Heimatort nach Ungarn waren es knapp 400 KM. Gestern 28.12.12 aus Bosnien startend fand ich die Box mithilfe des Routings aus der Schweiz von Dragan.

Mein Onkel war mitgekommen als Seelischer Beistand in Not :) Mit dem Auto konnten wir bis. ca 5 KM vor dem Landepunkt fahren. Danach machte ich mich zu Fuss auf den Weg. Ausgerüstet mit meinem GPS Gerät sowie meinem Handy. Blöderweise ging dem GPS Gerät (wohl wegen der Kälte) schnell die Puste aus. So sendete ich meine Standortkoordinaten an Dragan und er hat mich Stück für Stück ans Ziel gelotst. Ich kann nicht beschreiben wie riesig und flach die Felder dort sind, man könnte mehrere Fussballfelder aneinander reihen und dann hätte man eines dieser riesigen Felder aus Ungarn. Als Wegmarkierung habe ich Stöcke in den Boden gesteckt, damit ich den Weg zum Auto zurück finde. Ich sah in der Weite immer wieder Rehe sowie Hasen herumlaufen. Hatte ehrlich gesagt ein wenig Bedenken von einem Wildschwein angegriffen zu werden. Als ich die Box gefunden habe, fing es stark zu regnen an. War mir ehrlich gesagt auch egal. Ich war total zwei Stunden in Schlamm und Schnee unterwegs bis ich wieder beim Auto war. Mein Onkel hatte Blut geschwitzt. Der arme Kerl dachte mir sei was zugestossen. Nun sitze ich wieder sicher und gemütlich in meinem Haus in Bosnien  – natürlich mit Muskelkater – und vollende hiermit meinen Artikel.
Nachfolgend ein paar Impressionen zum Projekt:


Hier die Flugroute

Route

(Total Flugzeit gem. GPS Tracker: 6 Std. 54 m. 24 s.)


Der Temperaurverlauf

Temperatur

Der Geschwindigkeits- und Höhenverlauf

 

Geschwindigkeitsverlauf Höhenverlauf

(Ich kann nicht genau sagen wie hoch effektiv der Ballon geflogen ist, meine persönliche  Schätzung ist 30’000 Meter.)

 

Hier das Resultat nach der Landung

Fund Fund

Hier die Bilder der Boden Kamera

Hier die Bilder der Horizont Kamera

/Nachtrag 11.01.13:

Völlig überrascht von den positiven Rückmeldungen allerseits, möchte ich mich bei allen nochmals herzlich bedanken. Danke! Ich hatte sogar das Vergnügen mein Vorhaben, auf 20min.ch sowie auf der NZZ Neuen Zuger Zeitung vorstellen zu dürfen.

Nachfolgend noch die Artikel in PDF Format:

Artikel 20min.ch (Quelle: 20min.ch, Ausgabe 03.01.13)
Artikel Neue Zuger Zeitung (Quelle: Neue Zuger Zeitung, Ausgabe 11.01.13)

2 Responses to Mit einem Wetterballon in die Stratosphäre

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